Pioniergeist: Die Nordamerikanische Template und ihre neue Heimstatt (Homestead)
Von Paul Edwards und Beth Simpson. Die Photos hat Karina Edwards zusammengestellt
In einer Schale auf dem Tisch flackern warm einige Kerzen. Darüber
hängt an einem Haken eine Öllaterne von der Decke, die ein orange-gelbes
Licht im Raum verteilt. Zu meiner Linken befindet sich eine Kerosinheizung.
Es ist die einzige Heizung im ganzen Haus und in der Nacht erreichen die Temperaturen
schon den Gefrierpunkt. Unser Haus hat keine modernen Einrichtungsgegenstände.
Es ist wie Kampieren innerhalb von vier Wänden. Das Gelände draußen
sieht nach einem ganzen Jahr ungehinderten Wachstums wild und widerspenstig
aus. Das wird sich im nächsten Frühjahr ändern. Es gibt keine
Straßenbeleuchtung, keine brummenden Kühlschränke, keine laute
Musik. Die Sterne in der Nacht sind klar und deutlich und die Geräusche
der Natur singen ein Schlaflied. Wir finden unseren Weg nach Hause auf Wegen
aus Hölzern, die vom Mondlicht beschienen sind. Es sind schöne Tage,
keine einfachen und bequemen, aber zutiefst befriedigende Tage. In der Luft
liegt ein Gefühl von Möglichkeit, von Hoffnung und fester Entschlossenheit,
die alles zusammenhält. Das ist die „Homestead“ des Template
Netzwerks in Nordamerika, eine ländliche kleine Siedlung, die derzeit von
einer kleinen, aber wachsenden Gruppe von Menschen der Nordamerikanischen Template
zu neuem Leben erweckt wird.
In
der Nähe von Athens, im Südosten von Tennessee, erstreckt sich ein
weitläufiges landwirtschaftliches Gebiet. Die „Homestead” liegt
gemütlich eingebettet zwischen dem Tennessee-River und den Smoky-Mountains.
Das Land wurde am 8. August 2003 von Mitgliedern der nordamerikanischen Template
gekauft. Davor war es im Besitz der Amish, einer christlichen Gemeinschaft,
die auf Elektrizität und jegliche Annehmlichkeiten des modernen technischen
Fortschritts verzichtet. Auf den 129 Morgen Weideland, Feldern und Wäldern
befinden sich elf Gebäude: eine Versammlungshalle, zwei große Werkstätten,
mehrere Scheunen und andere kleinere Gebäude, kein einziges mit Heizung,
Elektrizität oder Installationen. Die meisten Häuser wurden aus Holz
erbaut, das auf dem Grundstück gewachsen und mit der durch Pferde betriebenen
Tret-Mühle der Amish verarbeitet worden ist. Der Black-Ankle-Bach fließt
mitten durch die Siedlung. Ein kurzes Eintauchen in sein kühles Nass ist
eine willkommene Erfrischung an heißen Sommertagen.
Die „Homestead” ist ein Ort, um den sich Geschichten ranken. Die
Art, wie dieser Platz gefunden wurde, ist schon eine wunderbare Geschichte,
und viele weitere Geschichten lassen sich erzählen. Vor weniger als einem
Jahr war die „Homestead” nichts weiter als eine Idee im Kopf von
sechs Menschen. Ihre Vision war es, eine Gemeinschaft zu gründen, in der
Menschen in gegenseitigem Miteinander leben, in einer Gemeinschaft, in der inneres
menschliches Potential unterstützt wird und wachsen kann.
Unsere
Geschichte beginnt am 10. Januar 2003. Drei Familien hatten sich seit 18 Monaten
regelmäßig in Seattle getroffen und dann passierte es. Zunächst
lief das Treffen wie viele andere ab, Möglichkeiten wurden erwogen, Unmöglichkeiten
gesehen, Hoffnungen und Vorstellungen ausgetauscht und entwickelt. Gegen Mitternacht,
das Treffen neigte sich schon dem Ende zu, ließ eine Frau ihren Laptop
herumgehen, um Photos von einem ländlichen Anwesen in Tennessee zu zeigen,
über 3000 Meilen (4800km) entfernt! Jeder der Anwesenden war sofort von
dem Ort begeistert, von seiner Schönheit und seiner Reinheit, von dem natürlichen
Gefühl, das von ihm ausging. Alle Kriterien waren erfüllt bis auf
eines: Der Ort war wesentlich weiter als eine Stunde Fahrt von ihrem gegenwärtigen
Zuhause entfernt. Das Anwesen liegt auf der anderen Seite des Kontinents! Trotzdem
ließ sich die Begeisterung nicht bremsen. Acht Monate später war
das Anwesen gekauft. In Amerika eine unerhört kurze Zeitspanne für
die Abwicklung eines Grundstückskaufs dieser Größe.
Das Bedeutsame an dieser Nacht war, dass sie einen fundamentalen Wandel in
der Haltung der Sechs auslöste. Alles wurde real, was bis dahin nur Idee
war. Auf einmal war eine verbindliche Entscheidung von jedem erforderlich. Eine
Entscheidung, die sechs Menschen in eine Richtung bewegte, die sie niemals vorhergesehen
hatten. In den darauffolgenden Monaten war es oft unsicher, ob das Projekt verwirklicht
werden könnte, woher das Geld kommen sollte, wie mit den örtlichen
Behörden zusammenzuarbeiten ist und so weiter. Dennoch – es blieb
die Bereitschaft und Flexibilität, einen Weg zu finden..
Es
folgten acht Monate emsiger Betriebsamkeit. Einer der Gründer beschrieb
seinen Zustand während dieser Zeit als „sehr wenig Schlaf zu bekommen
und dennoch energiegeladener zu sein, als ich es seit Jahren war”. Da
sind viele kleine Geschichten innerhalb der großen Geschichte, wie das
alles zusammengekommen ist. Beispielsweise während der ersten Besichtigung
des Geländes erklärte George, der Nachbar des Anwesens, dass er das
Land zum Zweck der Selbstverteidigung an uns verkauft habe. Er habe seine Beziehung
zu den vorherigen Eigentümern, den Amish, sehr wertgeschätzt und das
Land mit großem persönlichen Risiko von ihnen gekauft, um sicherzustellen,
dass nicht 10 Morgen große Stücke einzeln verkauft würden. Er
wollte, dass eine Gemeinschaft von Leuten auf dem Anwesen einzieht, denn er
hoffte auch weiterhin mit Nachbarn zu leben, mit denen er gut auskommen würde.
Er traf sich mit verschiedenen Kaufinteressenten und verlangte ein Schreiben,
in dem die Vision für die Zukunft der Siedlung erläutert war. Aus
mehreren Kaufangeboten hat er sich für die Nordamerikanische Template entschieden.
Im Juni ist das erste Template-Mitglied auf das Anwesen gezogen. Das Land war
offiziell noch nicht gekauft, aber mit der Absicht, den Weg zu bereiten, hat
er sich an die Arbeit gemacht. Stellen Sie sich die Umstellung vor – ein
Mensch, der vorher im städtischen Seattle gelebt hat und sich nun in einem
unbewohnten Stück Land in der Mitte des ländlichen Tennessee wiederfindet.
Selbst die Geräusche sind fremdartig. Die nächtlichen Geräusche
im Süden muss man am eigenen Leibe erleben. Stellen Sie sich vor, alle
Frösche, die Sie jemals in Ihrem Leben gehört haben, quaken alle zusammen.
Dann kommt noch das unaufhörliche Singen der Grillen hinzu. Nun stellen
Sie sich noch den Ruf einer schreienden Eule vor. Dies wird gesteigert durch
eine Art Hunde-Telefonsystem. Wenn ein Hund durch sein Bellen das Gespräch
startet, übernimmt ein anderer auf dem nächsten Hügel den Ruf
und leitet ihn so durch das Land weiter. Man kann fühlen, wie das Land
durch die nächtlichen Geräusche atmet. Es ist wie Musik.
Am
8. August 2003 haben die Gründungsmitglieder die Eigentumsrechte am Land
unterschrieben. Bis dahin vollbrachte man unglaubliche logistische Heldentaten,
Rechtsanwälte zu finden, Steuerberater, Landvermesser, Banken und Darlehen,
ein Unternehmen zu gründen, Baugenehmigungen zu erwirken für Bauten,
die gar nicht vorgesehen waren… Und dies alles auf der anderen Seite des
Kontinents! Es war eine große Erleichterung, dass die örtlichen Behörden
das Unternehmen sehr unterstützt haben. Ein Beamter der Region war so liebenswert,
in seinem breiten südlichen Akzent zu betonen: „Nun, wir sind hier,
um Ihnen zu helfen”. Ohne diese Unterstützung und Ermutigung durch
die lokalen Behörden hätte die „Homestead” hier ihr Zuhause
wahrscheinlich nicht gefunden. Schon bald nach der Vertragsunterzeichnung besuchten
mehrere Familien die „Homestead”. Und siehe da, mittlerweile leben
hier 13 Menschen!
In
der Siedlung entfaltet sich rege Betriebsamkeit. Bau-Teams statten die Häuser
mit Strom, Heizung und sanitären Anlagen aus. Wir haben einen Garten, der
im Winter durch ein provisorisches Gewächshaus aus Plastiklaken, die über
einen Rahmen gespannt sind, geschützt ist. Gelegentlich reißt der
Wind die Laken aus ihrer Verankerung und wir müssen hinausgehen und sie
wieder festbinden, selbst bei Dunkelheit. Wenn die Folie über Nacht offen
bleibt, werden die Pflanzen bei den tiefen Nachtemperaturen erfrieren. Am Wochenende
fahren Freunde, die uns helfen, in großen Trucks und auf Traktoren umher,
um Schutt und alte Maschinen wegzuräumen, die noch von den Vorbesitzern
stammen. Des öfteren trifft man sich zu einem größeren Abendessen
in unserer gemeinsamen Versammlungshalle. Wegen des neuen Holzofens dort ist
dieser Ort einer unserer Lieblingsplätze. Schaut man sich bei so einem
Abendessen um, kann man kaum glauben, welche Opfer jede Familie und jeder Einzelne
gebracht hat, um hier zu sein. Jeder hier aus eigenem Antrieb und eigenem Entschluss.
Es war unser Traum, eine Chance wie diese „Homestead” zu haben,
und so sind wir glücklich, es aufbauen zu können.
Ich möchte hier eine Vision zeichnen, wie das Gemeinschaftsleben in fünf
bis sieben Jahren aussehen könnte. Die Häuser und das Land werden
sich mit Leben füllen: Kinder und Erwachsene jeden Alters, Bauernhoftiere,
Hunde und Katzen. Die Siedlung wird mit Elektrizität und Wasser versorgt
sein und die meisten Häuser mit sanitären Anlagen, und es wird Telefone
geben.
Es wird eine Bibliothek geben, einen Musikraum, einen Kunst- und Werkraum,
einen Raum für Kinder, eine große Küche und Mehrzweckräume
für verschiedenste Veranstaltungen. Im Gemeinschaftshaus wird man einen
Aushang finden, welche Aktivitäten in dieser Woche stattfinden werden.
Es
wird ein Gästehaus geben, um kleine Gruppen zu beherbergen, die an Wochenendseminaren
teilnehmen. Ein Stand am Straßenrand wird ökologisch angebaute Früchte
und Gemüse verkaufen, Blumen, Kräuter, selbst gemachte Waren, Kunst-
und Handwerksgegenstände. Bei einem Spaziergang auf dem Gelände wird
man sich wie zu Hause und sicher fühlen. Man wird einen Gang oder auch
zwei zurückschalten und etwas Tieferes wird sich zu rühren beginnen.
Was man spüren wird, ruft den Wunsch hervor zu bleiben. Wenn Sie herumgehen,
werden Sie bemerken, dass es sehr sauber ist, bei all den Aktivitäten,
und wenn überhaupt, dann wird man nur wenig Durcheinander vorfinden. An
diesem natürlich schönen Platz werden die Tiere, die Pflanzen, die
Kinder, die Erwachsenen und die älteren Menschen respektiert. Jeden Tag
erscheint das Leben hier reich. Auf dem Gelände wird es auch einige besondere
Orte geben, wie z.B. Heilgärten, und hoffentlich einen Friedhof. Am Aushang
im Gemeinschaftshaus werden zukünftige Pläne für weitere Häuser
aufgehängt sein; es sollen bis zu 25 Familien dort leben können. Einige
Häuser sollen insbesondere für ältere Menschen entworfen werden.
Es wird ein Gruppen-Familien-Heim, ein Hospiz und ein Zentrum für Ruhe
und Meditation geben. Es werden Pläne für Gärten, Investitionen
und Forstwirtschaft entwickelt werden. Man wird feststellen, dass der Ort ein
Heiligtum ist, ein Ort, an dem die Menschen das Beste im anderen unterstützen.
Wir hoffen, Sie haben einen Eindruck von diesem Abenteuer bekommen, das sich
die Nordamerikanische Template-Homestead nennt. Für uns ist es einer der
besten Orte, an dem man auf der Erde leben kann. Wir würden gerne einen
besonderen Dank an Leo Armin und seine Familie für ihren Glauben und beständige
Unterstützung aussprechen. Ihre Lebensarbeit und Inspiration hat es ermöglicht,
dass dieses Projekt nun existiert. Wenn sie gerne mehr über den Ort erfahren
wollen, besuchen Sie auch unsere Seite im Internet unter www.templatehomestead.org.
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