Das „Spectrum of Life“ Festival in Leiden, Holland
Zuerst
war es nur eine verrückte Idee, als sich im Januar Vertreter des Template
Netzwerks von Dänemark, Holland, England und Deutschland in Bayern zu einem
Projektaustausch trafen. Die Idee kam auf, in Zeiten, in denen der europäische
Gedanke vielerorts diskutiert wird, einmal ein Projekttreffen mit Mitgliedern
des europäischen Template Netzwerkes zu machen, wobei jedes Land etwas
von seinen gerade laufenden Projekten zu Besten gibt: Musik, Tanz, Wissenschaft,
künstlerische Betätigung, Kindertheater, Philosophisches und was sonst
noch immer gerade in Arbeit ist.
Wir starrten uns etwas ungläubig an und wünschten fast, die Idee
wäre einfach verhallt. Aber dann ließ sie uns nicht mehr los. Würde
es gelingen, die erhoffte Spontaneität dieses Tages nicht der Organisation
unterzuordnen? Auch sollten sich die Gäste nicht wie Zuschauer fühlen
und die Akteure nicht wie Darsteller auf der Bühne, sondern wir wollten
etwas für Menschen mit Menschen gestalten, worin sich möglichst alle
wiederfinden können, etwas Neues erleben und durch ihr Mitmachen dazu beitragen.
Zugegeben, uns war schon etwas mulmig in unserer Haut. Kann man seine Freunde
und Bekannten dazu bringen, sich auf so einen Versuch einzulassen, sie einladen,
dafür eine weite Anreise in Kauf zu nehmen, und man weiß nicht genau,
was passiert?
Lesen Sie im folgenden Artikel von Bart Weber, was passierte. Denn es wurde,
gottseidank, ein wunderschönes Event! Es reisten ca. 100 Mitglieder des
Netzwerkes aus 12 Ländern an, eine junge Frau, die erst vor kurzem von
der Template Idee gehört hatte, kam eigens aus Russland angereist! Hunderte
von Besuchern und Passanten im Laufe des Nachmittags trugen ihren Teil zu diesem
ungewöhnlichen Tag bei. Die holländischen Gastgeber der Template Stiftung
in Leiden, sowie die gute Zusammenarbeit mit der lokalen Stadtverwaltung, die
einen schönen Park zur Verfügung stellte, haben einen besonderen Eindruck
bei allen Gästen hinterlassen!
Bart Weber, Holland
Das Wetter war uns hold, es war ein wunderschöner strahlender JuliMorgen.
In den frühen Sonntagmorgenstunden, als ganz Leiden noch schlief, zogen
einige Männer los, bewaffnet mit blauen Müllbeuteln, um den Huig-Park
von Unrat und Hundekot zu säubern. Man wollte schließlich nicht,
dass die Besucher da als erstes reintreten.
Zur gleichen Zeit war die Küche der Leidener Template
Stiftung in der Cobetstraat überfüllt, mit Helfern, die Brote
schmierten und Lunchpakete zurecht machten. Nicht wenige sahen noch etwas verschlafen
drein, denn am Vorabend fand eine Disko mit DJ’s aus vier Ländern
statt, ebenso live Musik, und da die Geschmäcker verschieden sind und für
jeden etwas dabei sein sollte, wurde der Abend etwas länger.
Dann wurden sämtliche Gerätschaften in den Park geschafft: Zelte
in verschiedenen Größen, Stühle, Tische, Sound-Verstärker,
Musikinstrumente, Essen, Getränke, Sonnenschirme und natürlich nicht
zu vergessen die Thai-Sticks.
Innerhalb von wenigen Stunden war das Gelände kaum wiederzuerkennen. Der
ganze Park war in eine Bühne verwandelt!
Orange - Die große Vielfalt |
Zulu-Gesang
Am Vormittag erhob sich ein fremdartiger Gesang an einem Ende des Parkes: ein
altes Zulu-Lied wurde angestimmt, das man tags zuvor gemeinsam geübt hatte,
und die Sänger bewegten sich dazu in rhythmischen Schritten durch den ganzen
Park. Zuerst blieben Passanten überrascht stehen, nach kurzer Zeit aber
gesellten sich einige spontan zu den Sängern, um die eingängige Melodie
mitzusingen. Manche Anwohner, die vom Balkon aus das Geschehen im Park verfolgten,
haben sich sicher über diesen ungewöhnlichen und immer größer
werdenden Chor gewundert.
Farbzelte
Farben
strahlen Energie und Kraft aus, und können umgekehrt auch zum Anlaufpunkt
für Energien und Kräfte werden. Eine der natürlichsten Farbkombinationen,
die uns allen bekannt ist, sind die Regenbogen- oder Spektralfarben, denn diese
Naturerscheinung hat als primäres Grundmuster einen prägenden Einfluss
auf den Menschen.
Um unsere Sensitivität gegenüber Farben am eigenen Leib zu entdecken,
zu erforschen und zu fördern, wurde ein Template Projekt aus Deutschland,
sieben große Zelte in den Farben des Regenbogens, mitgebracht und aufgebaut.
Mit Hilfe eines speziellen Farbtests konnte man herausfinden, welche Farbfrequenz
stärkend auf einen wirkt, und man konnte sich anschließend eine Weile
in dem jeweiligen Zelt aufhalten, um sich der Wirkung dieser Farbe auszusetzen
und quasi „aufzutanken”.
Die alte und neue Kunst des Geschichtenerzählens
Dafür hatten Geschichtenerzähler aus verschiedenen Ländern,
die sich als „Ring of Turquoise”
zusammengeschlossen haben, extra eine Jurte - ein Zelt im mongolischen Stil
- mit Teppichen und Kissen aufgebaut. Wenn man sich durch den Eingang gebückt
hatte, tauchte man in eine vollkommen andere Welt ein. Die Zauberworte “Es
war einmal ...” waren Einleitung und Einladung zu den unterschiedlichsten
Geschichten für klein und groß. Diese Erfahrung war insofern außergewöhnlich,
als auch Geschichten aus dem eigenen Leben beigetragen wurden, die dadurch auf
neue Art lebendig wurden. Denn wie eine alte Weisheit besagt, erhält man
sein Selbst zurück, wenn man es mit anderen teilt.
Thai-Stick-Tanz
An
einer anderen Stelle des Parkes war das laute, rhythmische Aneinanderschlagen
von Stöcken zu hören. Was ging hier ab? Man konnte zum Rhythmus von
Donna Summers ‘Hot Stuff’ und begleitet von Live-Trommlern die Grundlagen
des Thai-Stick-Tanzens lernen - eine alte Kunstform, die noch von Mönchen
in verschiedenen Klöstern in Thailand, Indien, den Philippinen und Vietnam
praktiziert wird. Zwei lange Stäbe werden rhythmisch zusammen- und dann
in größerem Abstand voneinander auf den Boden geschlagen. Die Kunst
besteht darin, zwischen den Stöcken in einer Tanzformation hin- und her
zu springen und dabei zu vermeiden, von den schweren Hölzern getroffen
zu werden, wenn diese aneinander schlagen. Dieser Tanz fördert und trainiert
Konzentrationsfähigkeit, Zielstrebigkeit, Disziplin, Koordination, Begeisterungsfähigkeit
und Teamwork. Die Konzentration und oft auch das Zögern und Warten auf
den richtigen Augenblick der Tänzer war am eigenen Leib spürbar, ebenso
wie ihre Befriedigung, wenn sie die Übung erfolgreich gemeistert hatten.
Musica, Musica...
Live-Musik
war fast den ganzen Tag lang zu hören. Eine bunt gemischte und sich ständig
neu formierende Band von Musikern aus vielen Ländern spielte und improvisierte
in den verschiedensten Musikstilen - von irischer über marokkanische und
griechische zu holländischer, deutscher und englischer Musik und schließlich
zu einer Kombination aus den unterschiedlichsten Musikgattungen wie italienischen
Arien und russischen Volksweisen oder auch mitreißendem Trommeln.
Die Band aus internationalen Musikern hatte noch nie zuvor zusammen gespielt,
aber der Austausch, das Miteinander und das Zueinanderfinden passierte ganz
natürlich und brachte live viele interessante Musikstücke hervor.
Am Ende des Nachmittags erhielten die Musiker dann ein Gegengeschenk: ein blinder
Zuhörer berichtete ihnen von seinen Empfindungen und erzählte ihnen,
welche Eigenschaften, Qualitäten und Farben er bei den verschiedenen Musikstücken
wahrgenommen hatte.
Regenbogentanz
Am Nachmittag führte ein Tanzteam aus Deutschland zu sieben verschiedenen
Musikstücken einen „Tanz durch den Regenbogen” auf. Jeder Tanz
hatte seinen eigenen Charakter und weckte ganz unterschiedliche Gefühle
in den Zuschauern: z.B. Entschlossenheit in Rot, hungriges Aufnehmen in Orange,
Heiterkeit in Grün, tiefere Empfindungen in Indigo und Violett. Es war
eine faszinierende Tanzdarbietung.
Spezielle Momente
Eine Holländerin und ein Engländer luden Interessierte in ihre eigens
mitten im Park geschaffene Wohnzimmeratmosphäre ein, um sich mit ihnen
zu unterhalten und insbesondere einige der Qualitäten der jeweiligen Person
zu bestätigen und zurückzureflektieren. Das führte zu vielen
spannenden und ganz persönlichen Momenten.
Orientalische Tänze
Nach einem musikalischen Intermezzo bot eine Tänzerin, orientalisch gekleidet
und voller Enthusiasmus, einen Bauchtanz dar. Gekonnt und einfühlsam ging
sie in ihren Bewegungen auf die ägyptischen Rhythmen und Melodien der Musiker
ein. Interessanterweise wirkte der Tanz auf die Zuschauer eher beruhigend und
entspannend. Nach der kurzen Vorführung konnte jeder, der Lust hatte, mitmachen.
Einige
Frauen und auch Männer genossen so ihre ersten Bauchtanz-Versuche. Bleibt
anzumerken, dass einige sich wahrscheinlich an sonst ungewohnten Stellen einen
Muskelkater holten!
Klingende Experimente
An einer zentralen Stelle im Park fanden unter Anleitung eines erfahrenen Chorleiters
Experimente statt, um die menschliche Stimme und ihre Ausdrucksvielfalt zu erleben.
Auch hier konnte wieder jeder, der sich traute, mitmachen, es ging dabei nicht
um Perfektion, sondern um die befreiende Wirkung, die Singen haben kann.
Kreativität und Humor
In einem Zelt, das nur fürs Zeichnen und Malen eingerichtet worden war,
lag eine breite Palette verschiedener Materialien für alle aus, die sich
mittels Farbe und Papier Ausdruck verschaffen wollten. Ein Stückchen weiter
gaben Mitglieder des „Mosaic Theatres” aus England Humorvolles zum
Besten. Besondere Beachtung fand ein unsichtbarer Hund, der mit Leine und Halsband
durch den Park Gassi geführt wurde. Die Zuschauer genossen voll den britischen
Humor.
Gelb - Gemeinsames Schaffen |
Auch wenn organisatorische Vorbereitung für das Festival schon einige
Monate im voraus begannen, kamen doch die Teilnehmer aus den Niederlanden, Deutschland,
England, Dänemark, Norwegen, Amerika, Zypern, Griechenland, Frankreich,
Belgien, Israel, Russland und Italien – ungefähr 100 Menschen –
nur zwei Tage im voraus zusammen.
Manche kannten sich schon länger, andere trafen sich zum ersten Mal, um
sich auszutauschen, zu singen und zu musizieren, Geschichten zu erzählen,
Recherchen anzustellen und um Ideen für den Tag im Park zusammenzutragen.
Grün - Kreativität und Spontaneität |
Das
Festival sollte weder Konzert noch Ausstellung noch Demonstration sein, sondern
eher eine Art „lebendiges Theaterstück”, bei dem jeder auf
seine Art teilnehmen konnte, wie es seinem Wesen am Besten entsprach.
Spontaneität, Improvisation und Menschlichkeit waren die Dreh- und Angelpunkte
des ganzen Tages, auch wenn im Vorfeld eine gute Organisation die notwendige
Voraussetzung war.
Jeder, der in den Park kam, schien sich auf ganz natürliche Weise miteinzubringen,
entweder indem er bei der Band mitspielte, die Regenbogen-Zelte inspizierte,
beim Thai-Stick-Tanzen mitmachte oder im Zelt der Geschichtenerzähler verschwand.
Die Kinder konnten auch malen, oder sich schminken lassen.
Blau - Harmonie und Atmosphäre |
Viele Teilnehmer und Besucher waren über die ruhige und entspannte Atmosphäre
des bunten Treibens sehr erstaunt. Von außen betrachtet wirkten der Ablauf
und das vielfältige Geschehen harmonisch miteinander verbunden, und die
vielen Besucher, die durch den Park spazierten, fügten sich auf natürliche
Weise in das Bild ein. Man hätte sicher nicht vermutet, dass bei dem bunten
und harmonischen Treiben Menschen aus 12 Nationen zugegen waren.
Es
hatte meines Wissens keiner bereut, gekommen zu sein. Wohl alle, die beim Festival
mit dabei waren, zogen mit neuen Erfahrungen wieder von dannen und insbesondere
um eine Erfahrung reicher: Wie bestärkend es doch sein kann, ein intensives,
kreatives und für alle Sinne stimulierendes Wochenende mit etwas Schöpferischem
zu verbringen.
Wie schön es doch ist mitzuerleben, was eine kleine Gruppe von Menschen
jenseits aller individueller und nationaler Eigenheiten in kurzer Zeit Gemeinsames
und Inspirierendes zustande bringen kann.
Am späten Nachmittag endete dieser Tag, es wurde Zeit, aufzuräumen.
Wir hatten uns vorgenommen, den Park besser zu hinterlassen, als wir ihn angetroffen
hatten. Was bleibt nun von diesem Erlebnis, einige Wochen danach, außer
einer schönen Erinnerung?
Das Erleben und Erlebnis war eine Ermutigung und gleichzeitig eine Vision,
so etwas noch einmal zu machen. Sicher wieder neu und wieder anders. Auch anderswo.
Eventuell demnächst in England oder Deutschland. Vielleicht sind Sie ja
mit dabe?
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