Vom Kosmetikstudio zum Jugendprojekt
Kira Andersen aus Kopenhagen erzählt die Erfolgsgeschichte
eines Kosmetikstudios, das zum Jugendpilotprojekt für 14- bis 18-jährige
wurde.
Alles fing vor sieben Jahren mit dem Studio Athene in Kopenhagen an. Die Idee
war, einen Ort zu schaffen, wo man Hautbehandlungen guter Qualität in freundlicher
und angenehmer Atmosphäre bekommen konnte.
Attraktive Atmosphäre - Ich begann mit bescheidenen Mitteln:
Mit Enthusiasmus, Vorstellungskraft und einer großen Portion kreativen
Geschicks. Athene wurde ein ansprechender Ort, und oft kamen Leute einfach nur
so vorbei, um in der reizvollen Atmosphäre zu verweilen", sagt Kira.
Neben der Kosmetik eröffneten sich mit der Zeit für Athene neue Möglichkeiten,
es wurden Ausstellungen gemacht, Mosaiktischchen, handgefertigter Schmuck und
anderes verkauft.
Ungewöhnliche Kundschaft - Es kamen auch Jugendliche herein, Mädchen
von der Straße, Ausreißer, die aus verschiedensten Gründen
mit der Welt nicht klar kamen, aber die bei Athene eine Nische entdeckten, wo
sie sich sicher fühlten und zu sich kommen konnten. Sie wuchsen mir
ans Herz", sagt Kira.
UngVaerdi - Kira Andersen ist heute 35 und Geschäftsführerin
von UngVaerdi in der Willemoesgade, Osterbro, in Kopenhagen, die Schönheits-
und Hautpflege Athene floriert weiter unter neuem Besitzer. Vor sechs Monaten
entschloss sich Frau Andersen, einen neuen Weg zu verfolgen, dessen Name auch
Programm ist: UngVaerdi, wörtlich mit JungerWert zu übersetzen, nannte
sie ihr Projekt.
Prinzip Respekt - UngVaerdi ist ein Projekt für Teenager, die meist
unter Gewalt, sexuellem Mißbrauch oder schwierigen Familienverhältnissen
zu leiden hatten und sich nicht dem gesellschaftlichen Werte- und Erziehungssystem
einpassen können. Hauptsächlich werden den jungen Leuten zwei
Werte vorgelebt:
1. Sie werden respektiert.
2. Es wird an sie geglaubt, nämlich dass in ihnen einzigartige und bisher
unerreichte Fähigkeiten und Möglichkeiten schlummern."
Leben und leben lassen - Egal ob er vom Jugendamt kommt oder von
sich aus, wenn ein junger Mensch zu mir kommt, erblicke ich zuerst einmal ein
menschliches Wesen und nicht ein Problem. Und erst dann sehe ich einen jungen
Menschen, dessen Fähigkeiten sich Lebensqualität zu schaffen verletzt
wurden. Jede Person verdient doch Achtung einfach aufgrund der Tatsache ihrer
Existenz und dass man ihr eine Chance gibt, egal ob Alt, Jung, Arm oder Reich,
prominent oder nicht. Jedenfalls ist ,leben und leben lassen bei mir privat
und auf der Arbeit eine Devise, die ich nach Kräften zu praktizieren suche."
Wirkungen - Was bei Anwendung dieser Prinzipien passiert, ist
bereits nach relativ kurzer Zeit bemerkenswert: die jungen Leute zeigen Offenheit
und Vertrauen, weil man sie nicht mehr als Problem wahrnimmt. Wer einen Jugendlichen
als Problem behandelt, der fesselt ihn an die Situation, aus der er ausbrechen
muss. Wer ihm andererseits echte Achtung entgegenbringt, lässt damit ein
Vertrauensverhältnis wachsen, das bei weiterer Hilfestellung unschätzbar
ist."
Trainingsprogramm - Im Rahmen des UngVaerdi-Programms wird der Jugendliche
zuerst mit ‚innerer Ruhe bekanntgemacht. Innere Ruhe ist für jeden
sehr wichtig, besonders für den Jugendlichen. Bei der Entwicklung der inneren
Ruhe" geschieht ein Ausgleich der instinktiven und mentalen Bereiche einer
Person. Unter anderem werden Befürchtungen zerstreut (mentaler Prozess)
und Stille und Ausgeglichenheit (Instinkt) erreicht.
Kennenlernen und Ergebnisse - Wenn sie zum ersten Mal kommen,
sind sie zu einem Willkommensgespräch eingeladen und werden mit Aufgabe,
Geschichte, Funktion, dem Wie und den goldenen Regeln von UngVaerdi bekanntgemacht.
Und ich sage ihnen auch, dass sie für mich ein unbeschriebenes Blatt sind
und ganz von vorne anfangen können. Beispielsweise lese ich nicht ihre
Akte mit der Vorgeschichte und will auch gar nichts wissen, es sei denn, sie
möchten mir etwas anvertrauen. Am Ende des Gesprächs bestätigt
der Jugendliche nochmals, dass er am Programm teilnehmen möchte. Auf diese
Entscheidung kann ich mich in der Zukunft berufen."
Praktisch alle Teilnehmer des Programms führen heute ein erfüllteres
Leben. Entweder studieren sie, haben einen Arbeitsplatz oder gründeten
eine Familie. Kira: Ganz wichtig, und das liegt mir am Herzen, ist Folgendes:
Wir versuchen nicht, die Leute zu ändern; wir streben ganz einfach danach,
das Beste aus ihnen hervorzubringen, halt das naturgegebene und reiche Potenzial
der Person."
Erfolgsstory - UngVaerdi ist nicht nur ein Jugendprojekt, UngVaerdi
bietet auch Kurse und Workshops für Projektleiter in der Jugendarbeit,
Institutionen und Schulen an, was gegenwärtiger Höhepunkt von Kiras
langjähriger Arbeit ist.
Kira: Sie können es schaffen, davon bin ich unerschütterlich
und zutiefst überzeugt. Ich glaube, dass jeder Mensch ein unerforschter
Kontinent ist und dass wir alle über ein hochentwickeltes Werkzeug verfügen:
unseren Körper mit seinen Fähigkeiten. Die richtigen Knöpfe gedrückt,
und eine Welt innerer Gefühle, Gedanken und Talente offenbart sich. Für
mich ist es sehr wichtig, dass Jugendliche diese Gelegenheit bekommen."
Unter anderem habe ich in den letzten sieben Jahren an einem Konzept
gearbeitet, das ich ,Menschliches Wertefundament nenne. Darin habe ich
Wissen, Qualitäten und Prinzipien zusammengebracht, die ein Wertefundament
bilden können als Basis jeden menschlichen Erfolges. Ich bin immer wieder
begeistert, wenn ich sehe, wie dieses Wertefundament ein Muster schafft, so
dass Training, Workshops, Experimente und Unterricht sich für die Jugendlichen
meist erfolgreich ergänzen. Und meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass
Erfolg oft zu mehr Erfolg führt".
Ich habe das Gefühl, gerade erst angefangen zu haben. Heutzutage
ist es doch bereits eine Herausforderung, überhaupt grundsätzliche
Werte wie z.B. Selbstrespekt zu leben, geschweige denn anderen zu vermitteln.
Aber letztendlich, auch wenn die Jugendlichen bei UngVaerdi Werte erfahren können,
die Entscheidung, wie sie den Rest ihres Lebens leben wollen, liegt immer noch
bei ihnen."
Interviewer: Rolf Christoffersen und Yvonne Christensen, Kopenhagen
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